Plastisch-chirurgische Fragestellungen
Die Begutachtung von Anträgen, die eine Veränderung der Körperform zur Folge haben, leiten sich aus dem §275 Abs. 1 SGB V ab. Die zentrale gutachterliche Fragestellung ist dabei, in wie weit krankheitswertige Beschwerden vorliegen und deren konservative Behandlungsalternativen ausgeschöpft wurden.
Begutachtungsaufträge zu plastisch-chirurgischen Eingriffen beziehen sich auf die Gebiete Augenheilkunde, HNO, Adipositaschirurgie/ (postbariatrische) Straffungsoperationen und Senologie.
Die Begutachtung plastisch-chirurgischer Fragestellungen erfolgt im Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe durch qualifizierte und regelmäßig fortgebildete Schwerpunktgutacherinnen und Schwerpunktgutachter.
In Abhängigkeit von der konkreten Fragestellung und der jeweiligen Komplexität des Einzelfalls werden die Aufträge sowohl nach Aktenlage, als auch nach persönlicher Einladung der Versicherten und körperlicher Untersuchung bearbeitet.
Die Checklisten zur Sachermittlung geben einen detaillierten Überblick über die für eine strukturierte, fallabschließende Begutachtung erforderlichen Unterlagen in den unterschiedlichen Begutachtungsfeldern.
Alles Wichtige in Kürze
Adipositas und seine Folgen – das Begutachtungsfeld Bariatrische Chirurgie hat viele Facetten
Seit den 1970er Jahren hat sich die Adipositas weltweit und auch in Deutschland verdreifacht. Hiermit einher geht auch eine steigende Anzahl von Adipositas-assoziierten Folgeerkrankungen. Der Gewichtsreduktion auf konservativem Weg oder durch einen adipositaschirurgischen Eingriff kommt somit größte Bedeutung zu.
Zunächst sollte der konservative Therapieweg in Eigenregie und therapeutengestützt durch ein multimodales Therapiekonzept (MMK) beschritten werden.
Wenn auf konservativem Therapieweg keine ausreichende Gewichtsreduktion gelingt, wird zumeist ein adipositaschirurgischer Eingriff angestrebt. Die Zahl der durchgeführten operativen Eingriffe in zertifizierten Adipositaszentren und/oder durch entsprechend zertifizierte chirurgische Kliniken steigt jährlich an. Die Art des operativen Eingriffes wird vom Operateur auch unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen festgelegt. Die Schlauchmagenbildung und die Magenbypassanlage sind die häufigsten adipositaschirurgischen Eingriffe, die in den letzten Jahren in Deutschland durchgeführt wurden. Eine lebenslange Nachsorge auch zur Supplementtherapie muss sich zwingend an die operativen Eingriffe anschließen.
Durch eine Gewichtsreduktion – egal ob durch konservative oder operative Maßnahmen – kann eine Hauterschlaffung im Ganzkörperbereich eintreten. Neben der Bauchhaut sind zumeist auch die Oberarme, die Oberschenkel, das Gesäß und auch die Brüste von einer Hauterschlaffung betroffen. Das Ausmaß der Hauterschlaffung hängt u.a. vom Alter, der Gewebebeschaffenheit und der weitergeführten sportlichen Maßnahmen, die der Gewebestraffung dienen, ab.
Nicht jede Hauterschlaffung erfüllt aber die Kriterien der Krankheitswertigkeit, so dass es folgerichtig eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse ist. Es ist von Krankheitswertigkeit und somit von einer medizinischen Indikation für Straffungsoperationen auszugehen, wenn die Kriterien der Entstellung und/oder krankheitsrelevante Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Unter krankheitsrelevanten Funktionsbeeinträchtigungen fallen therapierefraktäre Hautveränderungen, funktionelle Bewegungseinschränkungen oder andere krankheitswertige mechanische Beeinträchtigungen, die im kausalen Zusammenhang mit den Haut-Weichteilüberschüssen stehen. Die Anträge auf Durchführung von Straffungsoperationen reichen von der Beantragung zur Straffung nur einer Körperregion bis hin zur Straffung von mehreren Körperregionen im Sinne einer Ganzkörperstraffung in mehreren operativen Sitzungen.
Der Bereich der Adipositaschirurgie gliedert sich somit in die folgenden Teilbereiche:
- Aufträge zu geplanten adipositaschirurgischen Operationen
- Aufträge zu Straffungsoperationen nach erfolgter operativer und/oder konservativer Gewichtsreduktion
Die Begutachtung im Bereich der Adipositaschirurgie erfolgt im Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe durch qualifizierte und regelmäßig fortgebildete Schwerpunktgutachter*innen. Die Begutachtung erfolgt unter Berücksichtigung der aktuellen Begutachtungsrichtlinen, die das BMG erlässt und Begutachtungsleitfäden des Medizinischen Dienstes Bundes.
Die Checkliste zur Sachermittlung im Bereich der Adipositaschirurgie/(postbariatrischen) Straffungsoperationen gibt einen detaillierten Überblick über die für die strukturierte, fallabschließende Begutachtung erforderlichen Unterlagen unterteilt nach jeweiligem Auftragsanlass. Diese Checkliste finden Sie in der rechten Leiste zum Download.
Im Fachgebiet der HNO-Heilkunde stellen Anträge, die die operative Veränderung der äußeren Nasenform und/oder der Ohrmuschel beinhalten, den Großteil der Begutachtungen mit plastisch-chirurgischem Bezug. Die jeweiligen Formvarianten können angeboren (z.B. Spaltnase, Ohrmuscheldysplasie) oder erworben sein (z.B. nach Unfall oder Voroperation). Im Rahmen des Begutachtungsauftrages der Krankenkasse wird auf Basis des sozialrechtlichen Krankheitsbegriffes geprüft, ob ein krankheitswertiger Befund im Sinne einer Krankheit nach Maßgaben des Sozialrechts vorliegt. Diesbezüglich sind funktionelle Beeinträchtigungen und/oder entstellende Aspekte durch die Antragsteller zu belegen. Die eingereichten Unterlagen werden dann einer gutachtlichen Prüfung durch den Medizinischen Dienst unterzogen, die hier verfügbare „Checkliste“ beinhaltet die zur Begutachtung aktuell relevanten und notwendigen Informationen und Unterlagen.
Anträge zu plastisch-chirurgischen Eingriffen im Bereich der Senologie (Brustheilkunde) sind vielfältig. Sie betreffen sowohl Wiederherstellungs-/Rekonstruktionsoperationen, als auch Korrekturwünsche bei Form- und Größenvarianten wie zu großen, zu kleinen, ptotischen oder asymmetrischen Brüsten. Brustkrebserkrankungen und deren vorangegangene, operative Therapie sind die Hauptgründe für Anträge auf eine Brustrekonstruktion. Aber auch bei angeborenen Brustfehlbildungen oder bei einer vorsorglichen Entfernung der Brustdrüse bei einem genetisch erhöhten Brustkrebsrisiko werden Wiederherstellungseingriffe beantragt. Folgeeingriffe an der Brust betreffen Komplikationen nach stattgehabter Implantateinlage- wie Implantatruptur oder Kapselfibrose- und die Entfernung von Narben und Keloiden. Aufträge an der männlichen Brust beziehen sich überwiegend auf Eingriffe zur Behandlung einer Gynäkomastie, einer Vergrößerung der männlichen Brust.
Grundsätzlich ist bei allen plastisch-chirurgischen Maßnahmen an der Brust ist zu prüfen, ob eine Krankheit im Sinne des Sozialrechts vorliegt, die einen krankheitswertigen Befund mit Beeinträchtigung wesentlicher Körperfunktionen oder, aufgrund anatomischer Abweichungen, eine Entstellung bedingt. Für die sozialmedizinische Begutachtung maßgeblich sind die Vorgaben des Sozialrechts zum Krankheitsbegriff.
Angeborene oder erworbene Veränderungen der Konfiguration der Ober- und Unterlider stellen eine regelmäßige Fragestellung im Bereich der plastischen Chirurgie in der Augenheilkunde dar.
Hierbei können Abweichungen in der Anatomie und/oder der Stellung der Lider einen Einfluss auf die Lidfunktion haben und sich auf die Sehfunktion der Augen auswirken, sodass eine ärztliche Indikation für eine operative Intervention gestellt wird.
Insbesondere eine konstitutionelle oder altersabhängige (Gewebe-) Erschlaffung der Lidhaut der Oberlider (Dermatochalasis) oder des gesamten Lides (Ptosis) kann funktionelle Auswirkungen auf die Sehfunktion haben. In diesem Zusammenhang ist für die Frage nach der Indikation einer lidchirurgischen Maßnahme (Blepharoplastik und Ptosis-Operation) in Abhängigkeit von der individuellen Ausprägung des Befundes eine Abgrenzung zwischen einer medizinischen Indikation mit alltagsrelevanten Einschränkungen der Sehfunktion und kosmetischen Befunden im Einzelfall vorzunehmen.
Mit dem Ziel einer optimierten Entwicklung der Sehfunktion in der sensiblen Phase des Säuglings-und Kindesalters (bis zur abgeschlossenen Sehentwicklung ca. 14. Lebensjahr) weisen die Beurteilungen zu dieser Fragestellung in diesem Lebensalter -regelhaft die Diagnose einer Ptosis betreffend- eine besondere Bedeutung auf, da sie einer zeitlichen Dringlichkeit unterliegen.
Entsprechend des Begutachtungsauftrages der Krankenkasse wird auf der Basis der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen/Befunde und der sozialrechtlichen Vorgaben zum Krankheitsbegriff gutachtlich durch den Medizinischen Dienst geprüft, ob entsprechende funktionelle Beeinträchtigungen und/oder entstellende Aspekte anzunehmen sind.
Die hierfür erforderlichen Informationen sind der hier verfügbaren „Checkliste“ zu entnehmen (Hier die Checkliste herunterladen).