In Deutschland leiden circa 4 Millionen Menschen unter seltenen Erkrankungen, 75% davon sind Kinder. 72% der Erkrankungen haben eine genetische Ursache. Es gibt circa 250 zugelassene Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen (so. Orphan Drugs), aber auf der anderen Seite auch circa 6.000 seltene Erkrankungen. Dabei sind dann auch noch für einige seltene Erkrankungen mehrere Arzneimittel zugelassen und diese dann zum Teil mit oder ohne dem Sonderstatus Orphan Drug. Beispielsweise gibt es 12 Arzneimittel als Orphan Drug zur Behandlung einer seltenen Knochenmarkserkrankung, dem multiplen Myelom, und noch mal 29 Arzneimittel ohne diesen Sonderstatus. Über diesen Sonderstatus haben diese Arzneimittel Zulassungserleichterungen und müssen ihren Zusatznutzen innerhalb eines Nutzenbewertungsverfahrens nicht gegenüber einer Vergleichstherapie nachweisen.
Hierdurch soll die Forschung und Entwicklung dieser Arzneimittel gefördert werden, um die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen zu verbessern. Seit Einführung dieser Regelungen nehmen die Zulassungen von Orphan Drugs zu. 0,05 Prozent der Verordnungen machen dabei ungefähr 10 Prozent der Arzneimittelkosten aus. Und trotzdem gilt, was SEG 6-Leiter Dr. Andreas Rhode als Moderator des Diskussionsforums sagt: „Bei 95 Prozent der seltenen Erkrankungen haben wir immer noch keine adäquaten Therapien, geschweige denn Arzneimittel.“
Es waren wieder hochkarätige Referentinnen und Referenten zum diesjährigen Diskussionsforum eingeladen. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik durch Carsten Vilbrandt vom Medizinischen Dienst Niedersachsen gaben je ein Impulsreferat: Dr. Rimma Berenstein als stv. Abteilungsleiterin Arzneimittel des G-BA, Dr. Sebastian Werner vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller, Dr. Michael Ermisch als Referatsleiter Nutzenbewertung beim GKV-SV, Prof. Dr. Dr. Birgit Burghardt als Leiterin des Bereichs Stammzelltransplantation/ Lymphome in der Pädiatrie des UKM, Dr. Martin Munteanu als Oberarzt für seltene Erkrankung am Katholischen Krankenhaus Bochum, Universitätsklinik Bochum sowie Florian Innig von der Patientenorganisation.
Dr. Martin Munteanu hat nachgerechnet und festgestellt, dass mit der derzeitigen Neuzulassungsgeschwindigkeit es über 400 Jahre bis zur Vollversorgung dauern würde. Es gibt also in der Versorgung einen hohen ungedeckten Bedarf für Hilfen für Menschen mit seltenen Erkrankungen. Und diese Hilfen beziehen sich auch nicht nur auf Arzneimittel. Auf der anderen Seite verursacht ein Bruchteil der Verordnungen in diesem Bereich einen ebenfalls hohen Anteil an den Arzneimittelkosten. Und dieses bei stetig steigenden Arzneimittelausgaben und einem ohnehin schon stark belasteten Gesundheitssystem.
Allen Versicherten eine gute Versorgung sicherzustellen, ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft – das wurde beim Diskussionsforum deutlich. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, auch darum ging es bei der gemeinsamen Podiumsdiskussion der Referenten. Es sind mehr Studien notwendig. Prof. Birgit Burkhardt schlug vor, hierzu ein eigenständiges Institut zu schaffen. Da das Ziel einer Vollversorgung aber unerreichbar erscheint, waren sich die meisten Referierenden einig, dass es eine Auswahl beispielsweise anhand der Schwere und der Erforschbarkeit der Erkrankungen geben muss, um zielgerichtet und schnell den Betroffenen helfen zu können.
Dr. Andreas Rhode zog am Ende ein Fazit: „Es wurde um vernünftige und praktikable Lösungen gerungen. Dabei lagen die Positionen gar nicht so weit auseinander. Aber letztendlich wird es hierfür auch gesetzliche Regelungen geben, vor allem wenn wir uns die Versorgung im zulassungsüberschreitenden Bereich angucken.“
So war es für Dr. Rhode unverständlich, dass im „Notstandsparagraphen“ § 2 Abs. 1a SGB V eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gefordert ist, jedoch für Cannabisarzneimittel nach § 31 Abs. 6 SGB V eine Einwirkung auf die Krankheitssymptomatik ausreichend sei. Dr. Rhode: „Bei vielen Erkrankungen ist die Verbesserung der Erkrankung gar nicht mehr das Behandlungsziel. Es kommt vielmehr darauf an, mit den Symptomen klar zu kommen. Da jst die Formulierung einfach nicht sachgerecht.“ Dieses gelte auch und insbesondere in der Palliativmedizin.